Project CREAM: Ist Additive Fertigung für die Serienproduktion geeignet?

Pankl Additive Manufacturing Competence Center
Pankl Additive Manufacturing Competence Center © Pankl

25.02.2021

Tanja Pfeifer, Leiterin des Additive Manufacturing R&D Departments bei Pankl Racing Systems, hat sich gemeinsam mit Olga Šulcová von Magna Steyr eine Frage gestellt: „Ist die Additive Fertigung für die Serienproduktion von Fahrzeugen geeignet?“ Diese Frage wurde im Rahmen des Project CREAM behandelt. Die Antwort zu dieser Frage finden Sie in diesem Beitrag.

Magna Steyr in Graz, eine Gruppe des globalen Mobilitäts- und Technologiekonzerns Magna, entwickelt und produziert seit vielen Jahren Serienfahrzeuge für verschiedene namhafte Automobilhersteller. Bei neuen Projekten oder Änderungen an bestehenden Fahrzeugen werden vor Beginn der Serienproduktion Prototypen entwickelt und getestet. Oft werden aus Kostengründen Prototypen in einem anderen Verfahren hergestellt, als die Komponenten für die spätere Serienfertigung. Eine Methode für die Herstellung von Prototypen ist der Sandguss, dahingegen wird der Druckguss für die Serie verwendet. Für die Produktionsplanung ist es daher notwendig, dass diese Prototypenteile in der Entwicklungsphase bereits den Serienbauteilen entsprechen, aber kosteneffizient hergestellt werden können.

Wenn man die Sand- und Druckgussbauteile miteinander vergleicht, stellt das die Autoproduzenten vor folgende Herausforderungen:

  • Unterschiedliche Geometrie: Durch unterschiedliche Verfahren sind etwaige geometrische Beschaffenheiten von einem Prototyp anders. Die unterschiedlich produzierten Teile können sich beispielsweise in Toleranzen oder der Wandstärke unterscheiden. Aufgrund dieser Unterschiede müssen die Automobilhersteller Vorrichtungsanpassungen für jeden Prototyp durchführen.
  • Mechanische Eigenschaften: Durch die unterschiedliche Duktilität des Werkstoffs haben Sand- und Druckgussbauteile verschiedene Eigenschaften.
  • Verbindungstechnik: Durch die ungleiche mechanische Eigenschaften der Bauteile weicht auch die Verbindungstechnik bei Prototypen von der Serie ab.

Aufgrund der Nachteile beim Sandguss in der Prototypenphase wird geprüft, ob additiv gefertigte Prototypen für diese Phase besser geeignet sind.

Die Idee zum Projekt „CREAM“

In Rahmen einer Kooperation zwischen Magna und dem Pankl Additive Manufacturing Technology Center wurde die Idee zum Projekt CREAM entwickelt. Die Abkürzung setzt sich wie folgt zusammen: Comparable Additive Manufacturing

Ziel des Projekts war es, die Herstellung der Prototypen vom Sandguss auf additive Fertigung umzustellen und die Vergleichbarkeit zum Druckguss zu testen. Besonderer Forschungsbedarf besteht bei der Bestimmung der mechanischen Eigenschaften bei statischer und dynamischer Beanspruchung, da das Betriebsverhalten von additiv gefertigten Bauteile und Komponenten derzeit noch unzureichend berechnet und prognostiziert wird.

 Dabei haben wir im Vorfeld folgende Tasks definiert, nach denen die Methode bewertet wurde:

  • Entwicklung von Prototypenbauteilen mittels AM Prozess
  • Bauteileigenschaften u. Performance müssen den Druckguss entsprechen
  • Einbindung in den ges. Komponenten- und Gesamtfahrzeug-Entwicklungsprozess (Simulation)
  • Prüfung von statischen und dynamischen Eigenschaften
  • Untersuchung diverser Fügetechniken an AM-Bauteilen
  • Crashtest einer relevanten Fahrzeugkomponente

Daraus resultierend wurde ein Prüfplan ausgearbeitet, um die getesteten Prototypen aufgrund von bestimmten Kriterien miteinander vergleichen zu können.

Welche Vorteile bietet die additive Manufacturing-Technologie?

In den letzten Jahren hat sich diese Technologie mit enormen Sprüngen weiterentwickelt und bringt im Bereich Fahrzeugbau einige Vorteile mit sich. Nach dem Methodenvergleich im Rahmen des Project CREAM ist – neben der Wirtschaftlichkeit – auch die immens reduzierte Produktions- und Lieferzeit, ein großer Vorteil. Während Prototypen im Sandgussverfahren bis zu 12 Wochen für die Fertigung benötigen, kann im 3D-Druck ein Prototyp in einer Woche gefertigt werden. Das bedeutet, Automobilhersteller haben einen Zeitgewinn von elf Wochen, womit die Entwicklungsdauer deutlich verkürzt werden kann.

Zusätzlich hat man in der additiven Fertigung die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Materialien zu arbeiten. Es gibt fast keinen Materialausschuss, was einen umweltfreundlichen Prozess darstellt. Auch komplexeste Geometrien können damit hergestellt werden und reduzieren somit eine kostenaufwändige Änderung von Werkzeugkosten für die Prototypenherstellung bei Magna.

Für die Serienvalidierung ist es aus Gründen der Vergleichbarkeit sehr wichtig, dass die mechanischen Eigenschaften dieselben sind, wie beim Prototypen. Durch die schnellen Abkühlgeschwindigkeiten im 3D-Druck sind die mechanischen Eigenschaften meist viel höher. Um die Eigenschaften jenen des Druckgusses anzupassen, wurde in diesem Projekt eine Wärmebehandlung entwickelt, um diese mechanischen Eigenschaften auf die Werte des Druckgusses anzupassen. Weiters wurden zusätzliche Faktoren wie:

  • Materialverfügbarkeit am Markt
  • Mikrostruktur und Porosität
  • Rauheit der Oberfläche

näher beleuchtet. Diese und noch andere Eigenschaften werden aktuell in verschiedenen Tests geprüft, um schließlich mit einem richtigen Bauteil für die Serienproduktion validiert zu werden.

Die Zukunfts des additve Manufacturing im Automotive-Bereich

Unser Projekt zeigt, dass die additive Fertigung derzeit im Bereich der Prototypen schon sehr gut etabliert ist. Zusätzliche Anwendungsfelder sehen wir hier bei Ersatzteilen, im Design-Bereich, oder bei der Topologie-Optimierung von Teilen – sprich in Bereichen, wofür nicht viele Stückzahlen benötigt werden.

Für eine Serienfertigung mit ungefähr 100.000 Einheiten pro Jahr, müsste sich laut Magna der Preis für ein AM-gefertigtes Bauteil noch deutlich reduzieren, um es für die Serienfertigung attraktiv zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss jeder in der Lieferkette einiges erledigen: Nicht nur der Hersteller, sondern auch der Materialieferant und die Post-Processing-Unit müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um die Zukunft der additiven Fertigung weiter am Markt zu etablieren.

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